Am Anfang stand eine Vision: Das Ziel sozial engagierter Bürger, in Ochtrup möglichst viele Wohnungen zu günstigen Mieten zu errichten. Wohin man vor 100 Jahren in Deutschland auch sah, der Bedarf an menschenwürdigen, gesunden und preiswerten Wohnungen war angesichts des enormen Bevölkerungswachstums und der zunehmenden Arbeitsteilung gewaltig.
Der Vision folgte mit der Gründung des Bauvereins Ochtrup eGmbH am 15. Februar 1905 die Umsetzung. Schrittmacher für die Gründung des Unternehmens auf Basis genossenschaftlicher Prinzipien waren die Inhaber der Textilfirma Gebr. Laurenz, Heinrich, Anton und Bernhard Laurenz. Der Anstoß für ihre Initiative lag auf der Hand: Für die Mitarbeiter ihrer Textilwerke benötigten sie ausreichenden Wohnraum. Aufgrund dieses Bedarfs war die Entwicklung des Bauvereins bis in die 60er Jahre eng mit dem Textilunternehmen in Ochtrup verknüpft.
Als Startkapital erhielt jedes Mitglied von den Fabrikinhabern den vollen zu zeichnenden Geschäftsanteil von 100 Mark, wohl verknüpft mit der Hoffnung, dass von den Gründungsmitgliedern weitere Anteile eingebracht werden. Diese bildeten das Eigenkapital für die geplanten Häuser.Zum Zeitpunkt der Gründung waren immerhin 31 Mitglieder eingetragen, darunter Kommerzienrat Heinrich Laurenz mit 20 Geschäftsanteilen. Sie machten einen wesentlichen Teil des Gründungskapitals von zusammen 5.000 Mark aus.
Rechtliche Basis für die Unternehmensgründung war, wie bereits für viele andere Baugenossenschaften in Deutschland, das Reichsgesetz vom 1. Mai 1889, in dem die Voraussetzungen für die Gründung eines Selbsthilfevereins niedergelegt waren. Die Aufgabe des Bauvereins wurde von den 31 Genossen im Paragraphen 2 der ersten Satzung festgelegt: „Der Zweck der Genossenschaft ist ausschließlich darauf gerichtet, ihren unmittelbaren Mitgliedern gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen.“
An diesem Grundprinzip hat sich für den Bauverein Ochtrup bis heute nichts geändert. Als Mitglieder kamen neben juristischen Personen vor allem Einzelbürger in Betracht, „die sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, verfügungsfähig und zur Erfüllung der genossenschaftlichen Pflichten imstande sind“. Die neue Genossenschaft wirkte zunächst ausschließlich in der Gemeinde Ochtrup, in den 60er Jahren wurden die Geschäftsaktivitäten auf den Kreis Steinfurt ausgedehnt.
Die Pläne ließen sich offenbar nicht in dem Umfang verwirklichen, wie die Initiatoren ursprünglich glaubten. Zunächst wurden vier Häuser errichtet, die aber 1924 am Ende der galoppierenden Inflation in Deutschland für 4.000 Mark pro Wohnung vom damaligen Vorsitzenden Kommerzienrat Bernhard Laurenz verkauft wurden. Die Baupreise betrugen 1905 zwischen 6.000 bis 8.000 Mark bzw. 16 bis 18 Mark pro qm umbautem Raum.
In den neun Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges gelang es den Initiatoren immerhin, 18 Häuser zu errichten. Die Bilanzsumme lag 1914 bei noch bescheidenen 74.602,54 Mark. Nach der Zwangspause aufgrund des Krieges 1914 bis 1918 war die Aufnahme der Bauaktivitäten weiterhin illusorisch: Es folgen viele Jahre mit äußerst schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die lnflation 1924 hatte das Vermögen des Bauvereins fast vollständig aufgezehrt. Nach Ende der Phase trat der Bauverein dann auch nicht als Bauträger auf. Man beschränkte sich auf die Vermittlung von Baugeldern und beschaffte Grundstücke.
Bis 1926 wurden keine weiteren Projekte in Angriff genommen. Auch danach war nur eine geringe Bautätigkeit möglich. 1937 nahm die Genossenschaft noch 6 Projekte auf einem ausgegliederten Gelände der Textilwerke in Angriff, 12 weitere Bauvorhaben blieben im Gestrüpp der Verwaltung hängen. Auf dem Thesenkamp (heute das Gebiet zwischen Gronauer Straße und Gausebrink) entstanden jedenfalls insgesamt 21 Siedlungshäuser mit 42 Wohnungen.
Ende 1933 wurde der Genossenschaft der Status der Gemeinnützigkeit verliehen. Den Geschäftsanteil pro Mitglied legten Vorstand und Aufsichtsrat seinerzeit auf 150 Reichsmark fest. Wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise war es den Genossen gestattet, den Geschäftsanteil mit mindestens 4,20 Reichsmark monatlich abzutragen, bei schwerwiegenden Gründen war sogar ein Minimum von 2 Reichsmark möglich.
Die erheblichen wirtschaftlichen Einschränkungen und der seit 1939 tobende 2. Weltkrieg verhinderte eine erfolgreiche Bautätigkeit, so dass die Größe der Wohnungsbaugenossenschaft weiterhin überschaubar blieb. Hitlers Behörden erlaubten schließlich nur noch die Errichtung von „kriegswichtigen Bauten“. Ende 1942 zählte der Bauverein 53 Mitglieder mit 62 Geschäftsanteilen, darunter die Textilwerke Gebr. Laurenz mit 10 Anteilen.
Immerhin erzielte die Genossenschaft in diesem Kriegsjahr bei einer Bilanzsumme von über 187.000 Reichsmark einen Gewinn von knapp 1.000 Reichsmark. Der Krieg beherrschte immer mehr das tägliche Leben. Die Genossenschaft wurde dadurch auch personell beeinträchtigt. So war Vorstandsmitglied und Gefreiter Max Rees zeitweilig nur unter der Anschrift Feldpost.Nr. 26 216 erreichbar. Am 22. März 1945 brannte das für die Genossenschaft zuständige Amtsgericht in Burgsteinfurt nieder; das Handels- und Genossenschaftsregister wurde ein Raub der Flammen.
Auch nach dem Ende des 2. Weltkrieges war an eine normale Geschäftstätigkeit nicht zu denken. Dabei prägte die Wohnungsnot durch den anhaltenden Flüchtlingszustrom das Leben in Ochtrup.
Nur zwei Häuser wurden in Angriff genommen, mussten aber mit der Währungsreform im Juni 1948 gestoppt werden.
Eines der beiden Häuser konnte erst 1949 mit Hilfe eines Überbrückungskredites der Regierung in Münster zu Ende geführt werden. Damit entstanden 1948/49 12 Eigenheime - angesichts der Wohnungssituation in Ochtrup nicht einmal der berühmte Tropfen auf einen heißen Stein.
Am 16. November 1945 erfolgte die Neuanmeldung des Bauvereins in das Genossenschaftsregister nach der Vernichtung der Dokumente im Amtsgericht. Erst am 11. Juni 1948 bestätigte das Amtsgericht Burgsteinfurt die Neueintragung. Der Mitgliederbestand hatte sich bis dahin nur wenig auf 54 Genossen mit 63 Anteilen verändert. Die Bilanzsumme betrug 61.000 DM und das Geschäftsguthaben 4.700 DM.
Die Bautätigkeit des Vereins gewann 1950 inzwischen an Fahrt. Vier der neun geplanten Häuser mit zusammen 28 Wohnungen sollten auf fremdem Grund entstehen, doch erst nach der Enteignung des 1.500 qm großen Areals konnte mit dem Bauen begonnen werden. Fünf Häuser wurden bereits im August 1950 bezugsfertig, dann sollte mit den restlichen vier Objekten begonnen werden. Auf diese Weise entstanden 1950 unter der Regie des Vorsitzenden des Gemeinnützigen Bauvereins, Georg Helbig, 80 sogenannte „Volkswohnungen“.
„Damit wird ein Bauvorhaben vollendet, das in seinem Ausmaß für Ochtrup undurchführbar schien, denn solch große Bauvorhaben fordern immerhin viele hunderttausend Mark“, berichtete der Bauverein in seinem Mitteilungsblatt. Die Voraussetzungen schuf wieder die Firma Gebr. Laurenz. Sie stellte das wertvolle Gelände des Leugerskamp an der Laurenzstraße zur Verfügung und gewährte ein zinsloses Darlehen von 250.000 DM. Der Grund für die Bereitwilligkeit war wie in der Vergangenheit freilich nicht ganz uneigennützig: Für ihre Werksangehörigen benötigte das Textilunternehmen wieder dringend Wohnraum.
Das soll die soziale Leistung der Textilwerke Laurenz nicht schmälern: Schließlich waren zu diesem Zeitpunkt nicht weniger als 230 werksangehörige Familien auf der Suche nach geeigneten Wohnungen. „Es ist natürlich und recht, dass mit der Hergabe solch großer Mittel die Firma sich auch im Interesse der Belegschaft ein gewisses Mietrecht sicherte“, hieß es ganz offiziell. Ein Einfluss auf die Gestaltung der Bauten und die Höhe der Miete war allerdings nicht möglich, da diese durch die Gewährung des Landesdarlehens verbindlich festgelegt waren.
Ausgestattet wurden die 80 2- bis 4-Zimmerwohnungen mit Badezimmern, die mit Gasbadeöfen und Wasserklosetts eingerichtet waren, einer Küche und einem gefliesten Flur. Die Treppen zu den Wohnungen mit rund 35, 50 und 60 qm bestanden aus hochglanzpoliertem Kunststein. Beeindruckt hatte seinerzeit auch die automatische Treppenbeleuchtung.
1951 belief sich der eigene Hausbestand des Bauvereins auf 92 Wohneinheiten - 12 noch zu verändernde Erwerbswohnungen und jene 80 Mieteinheiten. Am 12. Mai 1951 genehmigte die Mitgliederversammlung endgültig die DM-Eröffnungsbilanz.
Dabei wurden die bisherigen Geschäftsguthaben im Verhältnis 2:1 abgewertet. Der Kapitalschnitt bedeutete die Halbierung des Anteils je Mitglied von 150 auf 75 DM, gleichzeitig wurde jedoch der Mindestanteil auf 150 DM hochgesetzt. Noch 1954 waren viele Genossen mit ihren eingezahlten Anteilsbeiträgen im Rückstand. Das Grundkapital, also die Kapitaleinlagen der Mitglieder, belief sich 1950 auf 8.200 DM.
Ab 1952 ging es bei der Genossenschaft Schlag auf Schlag. 1952/53 entstanden 20 Wohneinheiten in der Birkenstraße 20 bis 28. Im Verlauf der Bauperiode 1953/1954 zog der Bauverein Ochtrup am Berg (Amselstraße/Finkenstraße) und an der Birkenstraße 8 Vierfamilienhäuser mit 32 Wohneinheiten hoch, des weiteren 3 Zweifamilienhäuser mit 6 Wohneinheiten und 11 Eigenheime mit 22 Wohneinheiten: Zusammen entstanden in dieser Zeitphase somit 60 Neubauwohnungen. Zusätzlich befanden sich 17 Eigenheime als Reihenhäuser „Am Berg“ im Siedlungsgelände „Hogellucht“ in der Planung. Die für 99 Jahre gepachteten Bauflächen für die 60 Wohnungen stammten unter anderen von der Gemeinde, der Kirche und den Gebr. Laurenz.
1955 beging der Bauverein sein 50-jähriges Bestehen. In dem halben Jahrhundert der Unternehmensexistenz wurden etwa 350 Erwerbs- und Mietwohnungen errichtet. Nach dem 2. Weltkrieg linderten die vom Bauverein erstellten 38 Mietshäuser mit 126 Wohnungen sowie 75 Erwerbshäuser mit 197 Wohneinheiten die herrschende Wohnungsnot. Betreut wurden neben dem eigenen Bestand zudem 132 Neubauten für Dritte.
Um die Baukosten möglichst niedrig zu halten, wurden von den Mitgliedern in Eigenregie Böden ausgeschachtet und handwerkliche Eigenleistungen eingebracht. Die Bilanzsumme erreichte im Jubiläumsjahr mit 2,1 Mio. DM eine neue Marke; das Eigenkapital einschließlich der Geschäftsguthaben belief sich dabei auf 57.750 DM.
Auch die Anzahl der Genossen stieg im Lauf der Jahre deutlich an. Zum 50. Unternehmensgeburtstag zählte der seit September 1952 amtierende Vorstandvorsitzende und Handelsbevollmächtigte Rudolf Menge und seine Vorstandskollegen, Amtsbaumeister Ewald Frehe und Schlosser Hermann Blanke, 126 Mitglieder mit 148 Anteilen.
Neue Wohnhäuser entstanden 1956 in der Ginsterstraße 12 und 1958 am Elchdamm 23 und 25. 1960/62 wurden weitere 30 Wohneinheiten Am Laukreuz / Ginsterstraße / Margueritenweg errichtet. Die rege Bautätigkeit des Bauvereins machte es erforderlich, den Mindestanteil in zwei Schritten am 15. Januar 1960 auf 300 DM und am 3. November 1965 auf 500 DM zu erhöhen. 1964 und 1965 finanzierte die Stadt Ochtrup mit 80.000 Mark die Beseitigung von Baracken auf einem für Mehrfamilienhäuser vorgesehen Grundstück. 16 Wohneinheiten befanden sich am Hahnenkamp und an der Marderstiege im Bau.
1965 lag der Mitgliederbestand bereits bei 572 Genossen mit 1.251 Anteilen. Der eigene Immobilienbestand belief sich Mitte der 60er Jahre auf 193 Wohnungen, 10 weitere Einheiten waren schon aus dem Planungsstadium heraus.
Mit den zusätzlich errichteten Eigenheimen und Kleinsiedlungen sowie bei Bauprojekten, bei denen der Bauverein die Betreuung übernommen hat, blickte das gemeinnützige Ochtruper Unternehmen 1965 einschließlich der Planobjekte auf eine Gesamtbauleistung von 656 Wohneinheiten. Der Grundbesitz umfasste inzwischen insgesamt über 63.000 qm.
Damit besaß der Bauverein einen maßgeblichen Anteil an der Wohnraumbeschaffung in Ochtrup, aber auch in anderen Gemeinden wie in Langenhorst und Welbergen: Die engen Stadtgrenzen hatte die Wohnungsgenossenschaft inzwischen überschritten und die Bautätigkeiten auf das Umland ausgedehnt.
Nach Einführung des „Weißen Kreises“ in Ochtrup, das heißt der Einführung der Marktwirtschaft auch im Wohnungsbau, wuchsen allerdings die Schwierigkeiten bei der öffentlichen Förderung. Dabei war weiterhin ein deutlich sichtbarer Mangel an preiswertem Mietwohnraum vorhanden. Auch wurde es zunehmend schwieriger, geeignetes Baugelände zu vertretbaren Preisen zu finden. Die Planung sah 1965 dennoch 33 Häuser mit 57 Wohneinheiten vor, davon 27 Eigenheime (u.a. Siedlung Hogelucht und Nienborger Damm).
Fortschritte verzeichnete die Kapitalausstattung des Unternehmens. Hatte der Bauverein 1957 bei 165 Mitgliedern erst 90.000 DM eigene Mittel, so stiegen diese bis 1967 kräftig auf knapp 1 Mio. DM bei 603 Mitgliedern. Der Bilanzgewinn ist in diesem Zeitraum von 3.200 auf 27.000 DM angestiegen. Das Geschäftsjahr 1970 schloss schon mit einer Bilanzsumme von fast 5 Mio. DM ab. 2 Mio. DM Geschäftsanteile hatten dabei die Genossen als Eigenkapital eingebracht. Obwohl bereits über 100.000 DM an Kapitaldienstkosten aufgebracht werden mussten, stieg der Gewinn auf gut 33.000 DM. Zwar wurden in Einzelfällen unumgängliche Mieterhöhungen notwendig, dennoch wuchs die Attraktivität des Bauvereins weiter an: Mit 713 Genossen wurde ein neuer Mitglieder - Höchststand erreicht.
1975 wurde der Firmenname entsprechend der gesetzlichen Änderungen von eGmbH (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht ) in eG (eingetragene Genossenschaft) abgeändert. Eine Formalie, die auf die weitere Arbeit keinerlei Einfluss hatte. Vor diesem Zeitpunkt hatte die Genossenschaft 1968 zwei Wohnungen in der Taubenstraße 30 errichtet, 1970/71 zehn Einheiten in der Mozartstraße 1 bis 3, 1972 zwölf Wohnungen in der Fichtenstraße 18 bis 20 und zwischen 1972 und 1975 21 Unterkünfte in der Mozartstraße 8 und 10, die erstmals mit Aufzügen ausgestattet wurden. Entstanden sind auch neue Eigenheime, so acht Einheiten in Ochtrup Langenhorst mit jeweils 112 qm Wohnfläche. Eine ähnliche Maßnahme befand sich für 15 Siedlungshäuser in Fertigbauweise in der Akazienstraße in Vorbereitung.
Nachdem der Bauverein im Betreuungsbereich 1974/75 das erste Ochtruper Terrassenhaus des Architekten Alfons Tombült mit 15 Eigentumswohnungen in der Kneippstraße 9 übernommen hatte, schwächte sich im weiteren Verlauf der 70er Jahre der Bedarf an Wohnungen deutlich ab, wenngleich preiswerter Wohnraum noch immer schwer zu erhalten war. Die öffentlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau begannen nur noch spärlich zu tröpfeln. Beim Bauverein gingen die Bauaktivitäten, wie auch bei anderen Baugenossenschaften in Deutschland, deutlich zurück. Dies sorgte zwar den inzwischen 70jährigen Heinrich Laurenz, der nach 20 Jahren im Aufsichtsrat den Vorsitz abgab, ändern konnte er daran allerdings nichts.
1980, 75 Jahre nach der Gründung, zog das gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen während des Festaktes in der Villa Winkel wieder eine Bilanz der bisherigen Tätigkeit. Bis dahin hatte der Ochtruper Bauverein 1.136 Wohnungen gebaut oder während der Erstellung betreut.
Die Zahl der Genossen blieb mit 624 Mitgliedern erstaunlich stabil, was nur mit der überzeugenden Arbeit der Genossenschaft erklärt werden kann. Auf 8 Millionen DM war die Bilanzsumme geklettert, das Geschäftsguthaben der Mitglieder erreichte 860.000 DM.
Zum eigenen Bestand gehörten 1980 im ganzen Stadtgebiet 224 Wohneinheiten und - der steigenden Kaufkraft und wachsendem Wohlstand geschuldet 0 90 Garagen. Darüber hinaus wurden 165 Wohnungen anderer Eigentümer verwaltet. Dieses Geschäftsfeld erachtet Vorstandsvorsitzender Max Krassowski seinerzeit als stark ausbaufähig. Dies galt umso mehr, da das Schlagwort „Mietwohnungsbau am Ende“ nach Einschätzung des Direktors des Prüfungsverbandes Westfälisch-Lippischer Wohnungsbauunternehmen, Direktor Pohl, einen „wahren Kern“ besitze. Ein Grund: Die Bau- und Grundstückspreise von 2.000 DM pro Quadratmeter führten zu einer Kostenmietenkalkulation von 15 bis 17 DM.
Jenseits der stark reduzierten Neubaupläne erforderten die eigenen Immobilien einen immer größeren Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwand. Schon zwischen 1973 und 1975 wurden Modernisierungen bei über 60 Wohnungen mit dem Einbau von Heizungen und Bäderinstallationen durchgeführt. Außerdem legte die Genossenschaft Wohnungen zu größeren Einheiten zusammen. Während Mitte der 70er Jahre die Instandhaltungskosten noch überschaubar bei 150.000 DM lagen, klettern die Beträge in 2003 auf über 210.000 Euro.
Mit dieser Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt wurde das bisherige Fördersystem für die Sozialwohnungen, wie sie der Bauverein bisher errichtet hatte, fragwürdig. In der Tat flossen immer weniger öffentliche Mittel, so dass nach 1980 zunehmend weniger Bauprojekte von den deutschen Wohnungsbaugenossenschaften begonnen worden.
In den folgenden zehn Jahren reduzierte sich die Bautätigkeit auch beim Bauverein in Ochtrup erheblich, so dass bis Ende 1994 nur noch 18 eigene Wohnungen entstanden sind, so ein 6-Familienhaus in der Fichtenstraße, Objekte am Hahnenkamp und in der Ginsterstraße. Als eine Art Kompensation wurde dafür die Verwaltung fremder Wohnobjekte massiv vorangetrieben, so dass 1995 440 Wohnungen betreut werden. Außerdem errichtete die Genossenschaft weitere Eigenheime, so an der Bentheimer Straße oder an der Stahmstraße in Langenhorst. Kostenpunkt der Häuser: rund 160.000 DM für je 111 qm Wohnfläche. Auch errichtete der Bauverein sechs „Stadthäuser“ mit unterschiedlichen Architekturen und überdurchschnittlicher Ausstattung am Grünen Weg für 1.800 DM je qm Wohnfläche.
Den tiefgreifenden Veränderungsprozess im deutschen Wohnungsbau und die damit einhergehenden veränderten Aufgaben des Ochtruper Gemeinnützigen Bauvereins begleitete gegen Ende der 70er Jahre ein Mann nicht mehr aktiv: Rudolf Menge. Menge, der den Verein 25 Jahre als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer erfolgreich geleitet hatte, schied im Februar 1978 aus dem Leitungsgremium aus und macht Oberbaurat Max Krassowski Platz.
Der neue Mann an der Spitze würdigte die aufopfernden Leistungen Menges mit den Worten: „Er und der Bauverein haben sich im Lauf der Jahre unbestrittene Verdienste bei der Versorgung vieler Bürger mit angemessenem Wohnraum erworben.“ Geschäftsführer Werner Bodenberger ließ ganz persönlich wissen: „Er war mir ein aufrichtiger Freund und Lehrmeister.“ Rudolf Menge übergab 1978 ein gesundes Unternehmen, das auf einen Eigenkapitalanteil von 24,5 Prozent blicken konnte. Er starb schon wenige Monate später am 14. Juni 1978 im Alter von 73 Jahren.
Der Rückgang der Bautätigkeit war auch im Zusammenhang mit der gesetzlichen Streichung der Gemeinnützigkeit zum Jahresbeginn 1991 zu sehen. Damit war es dem Bauverein nur noch möglich, öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten, aber keine Eigenheime mehr. Deshalb wuchs auch das Interesse seitens des Wohnungsunternehmens, ältere Häuser mit Sozialwohnungen für die 652 Mitglieder starke Genossenschaft zu erwerben.
Für den Bauverein verlagerte sich die Arbeit. Für die modernen Anforderungen waren die bestehenden Wohnungen häufig zu klein, die Ausstattung entsprach nicht mehr den neuen Standards. Statt Neubauten rückte somit die Instandhaltung und Modernisierung noch stärker als bisher in den Vordergrund: sie wurde zur zentralen Aufgabe. Mehr denn je wurde Hand angelegt, um die Vermietbarkeit der Wohnungen auch weiterhin zu gewährleisten und einen unvertretbaren Leerstand zu vermeiden. Bereits Ende 1978 waren von den 224 Wohnungen 219 mit Bädern und 172 mit Heizungen ausgestattet. Der Einbau von Kunststofffenstern mit Isolierverglasung gehörte ebenso zum Erneuerungsprogramm wie die Wärmedämmung an den Fassaden. Auch für den Bauverein verbesserten sich die räumlichen Bedingungen nach dem Umzug im Dezember 1991 in das neue Domizil am Ostwall 3. Bis dato residierte die Baugenossenschaft in der Laurenzstraße.
1994 entstanden nochmals 8 Wohneinheiten in der Ginsterstraße 3. Außerdem erwarb die Genossenschaft ein Gebäude mit 2 Wohnungen. 1998 war auch Baubeginn der drei großzügigen Miethäuser mit drei Garagen und Fernwärmeanschluss am Gausebrink für kinderreiche Familien. Zuvor waren wieder einmal öffentliche Mittel in Höhe von 520.000 DM bewilligt worden. Die Gesamtkosten lagen nach Fertigstellung Mitte 1999 bei fast 800.000 DM. Instandhaltungen schlugen beim Bauverein mit weiteren 360.000 DM zu Buche. Dennoch sprang 1998 ein Bilanzgewinn von 280.000 DM heraus, der nach der Dividendenausschüttung an die Genossen die Eigenkapitalquote weiter verbesserte.
2001 verzeichnete der Bauverein ein Novum: Erstmals steht mit Elke Reckels eine Frau an der Spitze des männerdominierten Wohnungsunternehmens. Die Dipl.-Kauffrau (FH) trat am 1. März des Jahres die Nachfolge von Werner Bodenberger an, der weiter als Vorstand dem Bauverein erhalten blieb. Unbekannt war die Dame dem Bauverein nicht, denn von 1987-1989 absolvierte Elke Reckels ihre Ausbildung zur Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft beim Bauverein und gehörte seit 1995 dem Aufsichtsrat der Genossenschaft an.
Vor ihrer neuen Rolle entstand das vorerst letzte Bauprojekt des Bauvereins: 2 Doppelhäuser für kinderreiche Familien am Heideweg für insgesamt über 530.000 Euro. Ferner wurde 2000 ein Wohnhaus mit 4 Wohnungen von der Stadt Ochtrup erworben. 2001 und 2003 wurde aus privater Hand je ein Wohnhaus mit fünf Wohnungen gekauft.
Elke Reckels setzt zusammen mit ihren Vorstandskollegen Werner Bodenberger und nebenberuflich Gerhard Reckels sowie dem Aufsichtsrat mit dem Vorsitzenden Bernhard Everding vor allem auf die weitere Modernisierung des bestehenden eigenen Bestandes von 70 Häusern mit 263 Wohnungen sowie der treuhänderisch verwalteten 461 Wohnungen. Die Voraussetzungen hierfür sind gut, schließlich liegen die Erlöse aus der Hausbewirtschaftung bei nunmehr über rund 900.000 Euro im Jahr.
Die Eigenkapitalausstattung hat bei einem Bilanzvolumen von rund 6,3 Mio. Euro 2003 ebenso den Spitzenwert von mehr als 54 Prozent erreicht. Damit blickt der Bauverein auf eine außerordentlich solide Finanzbasis. Außerdem zeigt die weiterhin hohe Mitgliederzahl von 734 Genossen und die Leerstandsquote bei den Wohnungen von unter ein Prozent, dass in der Vergangenheit die entscheidenden Hausaufgaben im wahrsten Sinne des Wortes gemacht worden sind.
Soziale Verantwortung als Eckpfeiler jahrzehntelanger gemeinnütziger Arbeit: Werner Bodenberger und Theodor Tensundern prägen den Bauverein Ochtrup
Erfolgreiche Unternehmen, das gilt für Kapitalgesellschaften wie für Baugenossenschaften, benötigen dynamische Unternehmerpersönlichkeiten. Über Jahrzehnte hinweg prägten den Bauverein Ochtrup eG vor allem zwei Menschen auf diese Weise: Theodor Tensundern und Werner Bodenberger. Ohne sie hätte der Bauverein möglicherweise nie das rasante Wachstum erreicht und nie die wirtschaftliche Solidität erfahren. Ihre engagierte Arbeit war zu keinem Zeitpunkt Selbstzweck, sondern war geleitet von der hohen sozialen Verantwortung gegenüber den zahlreichen wohnungssuchenden Menschen. Als kongeniales Zweierteam arbeiteten sie in ihren Aufgabenbereichen selbstlos für die Beseitigung der Wohnungsnot und lenkten später die Geschicke der Genossenschaft als Vorstandsmitglieder. Werner Bodenberger trat 1953 zunächst als Lehrling in die Genossenschaft ein. Seine bewundernswerte Zielstrebigkeit, seine soziale Grundeinstellung und sein unternehmerischer Weitblick führten ihn 1975 als Vorstand an die Spitze der Genossenschaft. Bis zum heutigen Tag arbeitet er in dieser Rolle unverdrossen an der Bewältigung der anstehenden Aufgaben.
Ein Jahr später als Werner Bodenberger, 1954, fand Theodor Tensundern den Weg zur Genossenschaft. Kämpferisch und mit unerschütterlichem Selbstvertrauen half auch er in jener Zeit mit, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Ochtrup herrschende Wohnungsnot zu lindern und das existenzielle Bedürfnis nach Wohnraum zu befriedigen.
Der Wohnungsbedarf in der Stadt war riesig. Aus der Sicht der beiden tatkräftigen Männer musste so schnell wie möglich gehandelt werden. Sie nahmen die Herausforderung an und entwickelten Visionen. 47 Jahre lang von 1954 bis 2001 arbeiteten die beiden Strategen leidenschaftsvoll Seite an Seite, sich immer der sozialen Verantwortung bewusst.
Über 1000 Wohnungen wurden in dieser Zeit errichtet, noch mehr Menschen konnten mit neuem Wohnraum versorgt werden. Ihr Glück war auch das Glück der beiden Macher. Werner Bodenberger und Theodor Tensundern sind Vorbilder, die den Geist der Gemeinnützigkeit innerhalb und außerhalb des Bauvereins verkörperten. Das zeigt auch das entgegengebrachte Vertrauen seitens des Aufsichtsrates und der Mitglieder in den vielen Jahren gemeinsamen Wirkens. Umso betroffener nahmen im Januar 2005 Vorstand, Aufsichtsrat, Mitarbeiter und Mitglieder Abschied von Theodor Tensundern, der im Alter von 70 Jahren plötzlich und unerwartet verstarb. Im Rückblick wurde noch einmal deutlich, dass er für sich ein Lebenswerk geschaffen hatte.
Als Werner Bodenberger 1975 und Theodor Tensundern 1978 zu Vorständen bestellt wurden, übernahmen sie das Ruder zu einer Zeit, in der sich der Wohnungsmarkt erheblich zu wandeln begann. Der Schwerpunkt der Aufgaben lag nicht mehr so sehr auf der Errichtung neuer Wohnungen, sondern auf der Qualitätsverbesserung der im Eigenbesitz der Genossenschaft befindlichen über 200 Wohneinheiten. Weit vorausschauend entschieden sich die beiden Vorstände, das Geschäftsfeld Wohnungsbetreuung für Dritte auszubauen, um so die Kompetenz der Genossenschaft zum Zweck zusätzlicher Einnahmen zu nutzen und die Finanzkraft weiter zu stärken.
Ohne das gemeinnützige Fundament zu verlassen, trugen Werner Bodenberger und Theodor Tensundern in ihren Herzen stets den genossenschaftlichen solidarischen Gedanken, der die Triebfeder ihres Wirkens war und seitens Werner Bodenbergers weiterhin ist. Das spüren die Menschen. Die Attraktivität der Genossenschaft stieg deshalb weiter. Mit über 700 Mitgliedern ist der 100 Jahre bestehende Bauverein zweifellos eine historische Institution in Ochtrup.